
Session 01/Vertiefungssession: Andere Länder, andere Sitten
Impulsgeber: Pierre Littbarski
In einer vernetzten globalen Wirtschaft ist die Fähigkeit, durch vielfältige kulturelle Landschaften effektiv zu navigieren, nicht länger nur ein Vorteil, sondern eine grundlegende Notwendigkeit für nachhaltiges internationales Engagement.
Kulturelle Unterschiede manifestieren sich sowohl als Herausforderungen, als auch als Chancen. Das Verständnis dieser Unterschiede ist wesentlich und von entscheidender Bedeutung, um insbesondere beim Incoming-Tourismus seine Ziele zu erreichen.
In der ersten Session des Themenstrangs „Segmente und Werte“ wurden die Erwartungen internationaler Gäste an Destinationen sowie die Herausforderungen und Erfolgsfaktoren für eine zielgerichtete Ansprache durch DMO beleuchtet. Ziel war es, konkrete Maßnahmen zu entwickeln, mit denen eine DMO besser auf die Bedürfnisse verschiedener Zielgruppen eingehen kann.
Zum Start der Session berichtete Pierre Littbarski in seinem Impuls von prägenden Erfahrungen in Japan und betonte zunächst die zentrale Rolle der Sprache. Um Sprachbarrieren zwischen Deutsch und Japanisch zu überwinden, verfasste er zunächst für sich ein eigenes Buch und erstellte für seine Trainertätigkeit in Tokio Sprachtabellen mit den wichtigsten Vokabeln für den Alltag.
Littbarski hob die japanische Erziehung hervor, die durch Respekt, Rücksichtnahme und ausgesprochene Höflichkeit geprägt ist. Im Umgang mit japanischen Gästen plädierte er für eine „zurückhaltende“ Offenheit:
Es sei wichtig, andere Denkweisen zu verstehen und eigene Vorurteile abzubauen, um ein positives Reiseerlebnis zu ermöglichen. Erfolgreiche Kommunikation erfordere neben Sprachkenntnissen – auch nonverbal – ein tiefes Verständnis für die Kultur und eine sorgfältige, detaillierte Planung.
Basierend auf den Erfahrungen des Fußball-Weltmeisters erarbeiteten die Teilnehmenden konkrete Erfolgsfaktoren für eine internationalen Zusammenarbeit und die daraus abzuleitenden To-dos für die DMO:
Erfolgsfaktoren auf internationalen Märkten
- Interkulturelle Kompetenz: fundierte Kenntnisse über Kultur und Bedürfnisse der internationalen Zielgruppen.
- Sichtbarkeit und Buchbarkeit: Online-Präsenz, Relevanz und Auffindbarkeit für internationale Märkte.
- Authentizität der DMO: keine Anpassung an vermeintliche Erwartungen.
- Respekt und Offenheit gegenüber anderen Nationalitäten.
- Social-Media-Präsenz: Instagramability und eigene Aktivitäten.
- Flexibilität: Standards regelmäßig hinterfragen und anpassen.
- Digitale Lösungen zur Personalisierung der Angebote nutzen.
- Erwartungsmanagement: Das kommunizieren, was Gäste tatsächlich erwartet, dazu immer wieder einen Perspektivwechsel vornehmen – die Destination aus Sicht der Gäste sehen (z. B. Beschilderung, Kommunikation).
- Persönliche Kontakte neben der fortschreitenden Digitalisierung anbieten.
To-dos für die DMO
- Schulungen für Mitarbeitende: Sensibilisierung/ Bewusstsein für kulturelle Unterschiede fördern (z. B. Höflichkeitsformen); interkulturelle Kompetenzen schulen.
- Verantwortliche Ansprechpersonen je Quellmarkt definieren (idealerweise mit Herkunftsbezug).
- Leitfäden für interkulturelle Kompetenzen erstellen und die beidseitige Wertschätzung sicherstellen.
- Marketing in mehreren vergleichbaren Zielmärkten, statt Fokus auf ein Land.
- Berücksichtigung von Interessen und Bedürfnissen der lokalen Bevölkerung: Gäste über die üblichen deutschen Umgangsformen informieren.
- Datenmanagement: Daten aktuell halten und KI-kompatibel aufbereiten; Online-Sichtbarkeit sicherstellen.
- Online-Buchbarkeit: möglichst alle Angebote und Leistungen müssen für eine detaillierte Planung online präsent und schon im Vorfeld buchbar sein.
- Zielmarktspezifische Online-Ansprache: z. B. länderspezifische Google-Nutzung und Ausspielung von SERPs berücksichtigen.
- Besucherlenkung: Neben der Steuerung vor Ort auch in der Inspirationsphase und Buchungsphase das zu erwartende Aufkommen berücksichtigen.
- Leistungsanbietende sensibilisieren und schulen, z. B. Sprach-Kurse oder interkulturelle Schulungen anbieten.
- Politische Unterstützung einfordern: Fördermittel, Budgets, Akzeptanz.
- Bekannte Marken für die Promotion des Tourismus nutzen, z. B. Swarovski.
- An Megaevents wie EM/ WM als positive Imageträger anknüpfen.
- Digitalisierung umsetzen: Online-Bezahlmöglichkeit standardisieren; Reduktion der Sprachbarrieren durch Einsatz technischer Hilfsmittel an wichtigen Touchpoints.
- Best Practices international analysieren und ggf. für die eigene DMO adaptieren.
Ergänzend dazu wurden in der Vertiefungssession zur interkulturellen Zusammenarbeit noch weitere Erkenntnisse identifiziert. Die Teilnehmenden waren sich einig, dass es in der übergreifenden Zusammenarbeit als Basisfaktor auf gegenseitiges Verständnis und Rücksichtnahme der unterschiedlichen Kulturen ankommt.
Um interkulturell erfolgreich zusammenzuarbeiten – so eine zentrale Erkenntnis – ist die eigene Erfahrung ein wichtiger Schlüssel. Wesentliche Erfolgsfaktoren für eine interkulturelle Zusammenarbeit sind:
- Offenheit für andere Denk- und Arbeitsweisen.
- Bewusstsein für die eigene kulturelle Prägung.
- Bereitschaft, Missverständnisse nicht persönlich zu nehmen.
- Klarheit in Kommunikation und Erwartungen.
- Sensibilisierung im Team: Interkulturelle Trainings, Austausch, Reflexion.

Achtung: Stolperfallen
In der internationalen Zusammenarbeit treffen unterschiedliche Werte, Kommunikationsstile und Arbeitsweisen aufeinander. Diese Vielfalt ist eine große Chance – kann jedoch auch zu Missverständnissen führen, wenn grundlegende kulturelle Unterschiede nicht erkannt oder respektiert werden. Besonders folgende Themenfelder bergen Konfliktpotenzial:
- Werteverständnis: Was in einer Kultur als höflich oder angemessen gilt, kann in einer anderen als distanziert oder aufdringlich empfunden werden.
- Respekt: In einigen Kulturen äußert sich Respekt über Hierarchien und formelle Anrede – in anderen durch informelle Gleichstellung und offene Kommunikation.
- Zeitverständnis: Während in Mitteleuropa Pünktlichkeit zentral ist, wird Zeit in anderen Kulturen flexibler interpretiert. Dies kann zu Frust in der Zusammenarbeit führen.
- Rücksicht & Geduld: Der Umgang mit Unterbrechungen, Redepausen oder emotionaler Ausdruckskraft variiert. Geduld ist daher oft eine wichtige Brücke.
- Fehlerkultur & Konfrontation: In Deutschland wird Kritik oft direkt und sachlich geäußert. In anderen Kulturen wird eher indirekt kommuniziert, um Gesichtsverlust zu vermeiden.
- Feedback- und Kritikformate: Konstruktives Feedback sollte kultursensibel formuliert sein. Was hier als hilfreich gemeint ist, kann andernorts als verletzend verstanden werden.
- Verlässlichkeit: Die Bedeutung von Verbindlichkeit und schriftlichen Absprachen unterscheidet sich stark – was schriftlich festgehalten wird, gilt nicht überall als endgültig.
- Gleichberechtigung: Das Rollenverständnis – z. B. zwischen Geschlechtern oder Altersgruppen – ist nicht überall gleich. Dies sollte bei der Teamaufstellung beachtet werden.
- Teamgedanke: Manche Kulturen fördern stark individuelle Leistungen, andere sehen das Kollektiv im Vordergrund. Erfolgreiche Zusammenarbeit muss beides berücksichtigen.
Folgerungen für die tägliche Arbeit der DMO
Die Teilnehmenden in beiden Sessions beschäftigten sich auch intensiv mit den Folgerungen aus diesen erarbeiteten Punkten und Beobachtungen für die DMO und die tägliche Praxis im touristischen Umfeld. Die zentralen Ergebnisse:
1. Rollenverständnis erweitern
Touristische Akteur:innen sollten sich nicht nur als Anbieter, sondern als Gastgeber, Brückenbauer und Kulturvermittler verstehen.
Daraus müssen Maßnahmen abgeleitet werden – dies erfordert:
- Wissen: über Zielgruppen, kulturelle Unterschiede
- Konzepte: für Schulungen, Kommunikation, Gastfreundschaft
- Finanzielle Ressourcen
- Kooperationspartner: z. B. aus Bildung, Community, Verwaltung
2. Haltung & Qualität im Alltag
Mehr Geduld, mehr Lächeln, mehr Dienstleistungsmentalität: Qualität beginnt bei der inneren Haltung und kleinen Gesten.
Projekt „Jeden Tag 1 % besser“: Kontinuierliche Verbesserung im Kundenkontakt.
Ziele definieren, verfolgen und bei Bedarf nachjustieren: Für mehr Struktur, Kommunikation, Fehler- und Respektkultur.
3. Kommunikation & Bewusstseinsbildung
Verständnis durch Kommunikation: Nur wer kommuniziert, kann Erwartungen erkennen und Missverständnisse vermeiden.
Eigene Reiseerfahrungen und Perspektivwechsel fördern Empathie.
Zielgruppen analysieren, deren Werte und Bedürfnisse verstehen und gezielt kommunizieren.
4. Strukturelle Maßnahmen für Wissenstransfer
- Kultur-Coaches einführen, um Mitarbeitende praxisnah zu schulen.
- Austauschprogramme und interkulturelle Trainings schaffen nachhaltigen Wissenstransfer.
- Community einbinden: Lokale Akteur:innen, migrantische Gruppen und Multiplikator:innen aktiv in die Gestaltung integrieren.
Fazit: Interkulturelle Kompetenz im Tourismus ist keine Nebensache – sie ist Voraussetzung für nachhaltige Gastfreundschaft. Der Transfer in die Praxis erfordert eine bewusste Haltung, strukturelle Maßnahmen und klare Zielsetzungen. Kleine Schritte – wie ein Lächeln oder ein bewusster Perspektivwechsel – können dabei große Wirkung entfalten.