Holidu / Barrierefrei und nachhaltig gestalten

Session 03: Cradle to Cradle

Impulsgeber: Petra Kreibich und Anne Kathrin Rochna

Das Cradle-to-Cradle-Prinzip (C2C) verfolgt das Ziel, Produkte und Prozesse so zu gestalten, dass sie keinen Abfall erzeugen, und vollständig in biologische oder technische Kreisläufe zurückgeführt werden können. Im Tourismus bedeutet dies eine konsequente Kreislaufwirtschaft, die Ressourcen schont und langfristig nachhaltige Lösungen schafft.

Eine kleine biologisch abbaubare Pommesgabel wird nicht die Welt retten, aber sie kann das Mindset beeinflussen und der Anfang für eine riesige Veränderung sein. Recycling, Upcycling, Cradle to Cradle sind die Stichworte für das notwendige Um- und Neu-Denken. Denn die Wegwerfgesellschaft wird auf Dauer nicht funktionieren. 

Cradle to cradle (C2C) beschreibt eine Kreislaufwirtschaft, in der Produkte wiederholt oder in neuen Zusammensetzungen genutzt werden können, ohne Abfall zu erzeugen. Doch wie lässt sich die Kreislaufwirtschaft im Tourismus und entlang der Dienstleistungskette umsetzen? 

Die Teilnehmenden der Session 3 im Themenstrang „Barrierefrei und nachhaltig gestalten“ orientierten sich für die Antworten am „10R-Modell“ des Fraunhofer IIS zur zirkulären Wirtschaft. Recycling ist eine der zehn sogenannten „R-Strategien“, die in der Kreislaufwirtschaft („Circular Economy“) zum Einsatz kommen. Die R-Strategien, wie z. B. Reduce, Reuse, Repair oder Recycle, reichen in Unternehmen und Organisationen von der Transformation der Geschäftsmodelle bis zur Optimierung des Produktlebenszyklus. 

Von der Wegwerfbranche zur Wertschöpfungskette

„Wirfst Du noch weg? Oder cradelst du schon?“ fragten Petra Kreibich und Anne Kathrin Rochna von der KAD Kongresse und Events KG in Kempten und titelten über ihren Impulsvortrag „Von der Wegwerfbranche zur Wertschöpfungskette – der touristische Perspektivwechsel“. Sie stellten zahlreiche Beispiele aus verschiedenen Branchen vor, die eindrucksvoll das Um- und Neudenken belegen. 

„Sharing Economy“: Car- und Bike-Sharing-Modelle in touristischen Regionen reduzieren den Bedarf an individuellen Fahrzeugen und fördern die effiziente Nutzung von Ressourcen.

„Product-as-a-Service“: Anstatt Produkte zu verkaufen, werden Dienstleistungen angeboten, bei denen die Nutzung im Vordergrund steht. Ein Beispiel ist die Vermietung von Outdoor-und Sport-Ausrüstung.

„Rücknahme- und Recyclingprogramme“:  Hotels und Restaurants können Programme zur Rücknahme und zum Recycling von Verpackungen und Materialien implementieren.

„Kreislauffähige Lieferketten“: Beispielsweise in der Zusammenarbeit mit Lieferanten und Lieferantinnen sicherstellen, dass Materialien und Produkte am Ende ihrer Lebensdauer wieder in den Produktionskreislauf zurückgeführt werden.

„Innovationstreiber mit Kreislaufwirtschaft im Kern“: In diese Kategorie fallen die Entwicklung neuer Tourismusangebote für Gäste wie Forst-Besichtigungen als Pendant zu Stadtbesichtigungen, Green-Days, Müll-Sammel-Aktivitäten, Baum-Pflanzaktionen oder Erntehilfe.

„Kreislauffähige Infrastruktur“: Bei Um- und Neubauprojekten können Infrastruktureinrichtungen (Mobiliar, Kaffeemaschine etc.) weitergegeben bzw. es können aufbereitete Einrichtungsgegenstände eingesetzt werden. Laptops und Computer könnten Refurbished sein. 

Zahlreiche Ideen erarbeitet

In der intensiven Gruppenarbeit entlang der 10 R-Strategien erarbeiteten die Teilnehmer:innen nach diesem anregenden Impuls eine Menge konkreter Ideen im Tourismussektor. Details dazu hier. Die Übersicht hier würde den Rahmen dieser WERKSCHAU sprengen. 

Produkte reduzieren oder intelligenter nutzen und herstellen

R0 Refuse – R1 Rethink – R2 Reduce

Die ersten drei R der Strategie stehen für „Produkte reduzieren oder intelligenter nutzen und herstellen“. Ziele dabei sind:

  • R0 = Zurückweisen: Müll erst gar nicht aufkommen lassen, Konsum vermeiden.
  • R1 = Überdenken: Anders denken, neue Konzepte entwickeln.
  • R2 = Reduzieren: Weniger Material oder weniger Energie verbrauchen.

Die Lebensdauer von Produkten oder Produktionselementen verlängern

R3 Reuse – R4 Repair – R5 Refurbish – R6 Remanufacture – R7 Repurpose

Diese 5 Regeln sollen die Lebensdauer von Produkten oder Produktionselementen verlängern. Ziele:

  • R3 = Wiederverwenden: Produkte mehrfach nutzen, Lebensdauer verlängern.
  • R4 = Reparieren: Defekte Produkte (oder Infrastruktur) instandsetzen.
  • R5 = Wiederaufbereiten: Produkte/Geräte generalüberholen, länger nutzbar machen.
  • R6 = Aufarbeitung: Komponenten reinigen, reparieren oder ersetzen, um das Produkt wiederherzustellen.
  • R7 = Umwidmung: Produkte für neue Zwecke nutzen, Upcycling.

Material sinnvoll wiederverwenden

R8 Recycle – R9 Recover

In diesen beiden Regeln geht es um eine sinnvolle (Rest-)Materialverwendung. Ziele sind:

  • R8 = Wiederverwendung: Gebrauchte Materialien als Sekundärrohstoffe wieder in den Kreislauf zurückführen.
  • R9 = Rückgewinnung: Ausbeutung von wertvollen Restmaterialien.

Unabhängig von den einzelnen Vorschlägen betonten alle Arbeitsgruppen, wie entscheidend es ist, den Weg zur Kreislaufwirtschaft von vornherein als Gemeinschaftsakt zu sehen, der die Kooperation auf vielen Ebenen und mit vielen Agierenden voraussetzt. 

Erste Schritte auf dem Weg zur Kreislaufwirtschaft

  • Entscheidungsfindung: Notwendigkeit erkennen und interne Entscheidungen unter Einbezug der Mitarbeiter:innen treffen, mit gutem Beispiel vorangehen.
  • Systemanbieter & Plattformen prüfen: Die Vernetzung mit Anbietern, die nachhaltige Lösungen ermöglichen (z. B. für Mehrwegsysteme oder Kreislaufmaterialien), ist essenziell.
  • Infrastruktur & Bauwesen: Qualitätsmanagement und Vorgaben, z. B. bei Ausschreibungen für Baufirmen und Handwerksbetriebe.
  • Kooperationen: Einbeziehen von Verbänden wie z. B. DEHOGA oder IHK für die Multiplikatorwirkung und Kommunikation.
  • Innovative Unternehmen & Gründer: Zusammenarbeit mit privaten, innovativen Unternehmen mit starken Business Cases und guten Ideen (Willige unterstützen).
  • Kommunale Ebene: Städtische Verwaltungen (z. B. für Entsorgung) einbeziehen.
  • Gäste & Einheimische einbeziehen: Kommunikation der Vorteile nachhaltiger Angebote und Einholen von Feedback.
  • Kulturanbietende einbeziehen: Für die Attraktivierung von Mobilitätsstationen und Parkplätzen sind Kooperationen mit Kultur- oder Eventanbietenden denkbar.
  • Positive Gedankenbilder malen: Weg vom Problemdenken hin zu inspirierenden Zukunftsvisionen.

Fazit der Teilnehmenden: Cradle to Cradle ist nicht nur ein Ideal, sondern ein erreichbares Ziel, das unser Verständnis von Ressourcen und Abfall grundlegend verändert. Von der Pommesgabel bis zur Solaranlage – jeder einzelne Schritt zählt und beeinflusst das Mindset. Tourismus kann dabei eine treibende Kraft sein, mit positiver Kommunikation und offenem Mindset Begeisterung auslösen und Mitstreitende gewinnen.