
Session 03: Erlebnisse inszenieren
Impulsgeber: Edgar Eller
Erlebnisse kann man nicht verordnen – aber man kann Räume schaffen, in denen sie entstehen können. Touristische Inszenierung ist nicht neu – doch sie steht zunehmend in der Kritik. Zwischen der Instagram-tauglichen Kulisse und einer echten Darstellung der Region liegt ein Konfliktpotenzial, das viele Destinationen herausfordert.
Die dritte Session der Reihe „Produkte in Szene setzen“ beleuchtete, wie Erlebnisräume im Spannungsfeld touristischer Inszenierung und lokaler Authentizität gestaltet werden können – und welche Rolle Einheimische, Atmosphäre und das „Warum“ der Gäste dabei spielen.
Edgar Eller von sentum forderte in seinem Impuls die Teilnehmenden zu einem Perspektivwechsel auf: Die wahre Attraktivität einer Destination entfalte sich „zwischen den Häusern“ und sei untrennbar mit dem Leben der Einheimischen verbunden. Sie prägen maßgeblich die Atmosphäre und dürfen daher niemals aus den Augen verloren werden. Touristiker:innen müssten demütiger werden und Gäste als integralen Teil des Ganzen verstehen. Besuchende seien keine eigene Kategorie, sondern „Einheimische auf Zeit“.
Da sich Menschen in Gefühle und Atmosphären verlieben, nicht in bloße Dinge – so Edgar Eller – sei es wichtig, Erlebnisse zu gestalten, die Resonanz beim Gast erzeugen und ein tiefes Eintauchen in die Destination ermöglichen. Touristiker:innen sollten ihre Arbeit sinnstiftend in Projekte und Entwicklungen einbringen, die ohnehin für Einheimische stattfinden, da eine Verbesserung für die lokale Bevölkerung automatisch auch den Gästen zugutekommt.
Als Ergebnis der Kopfstandmethode erarbeiteten die Teilnehmer:innen folgende Handlungsempfehlungen, die das perfekte Erlebnis(gefühl) und eine exzellente Atmosphäre schaffen sowie die Wertschöpfung in der Destination maximieren sollen:
Tisch 1: Wir schaffen einen Begegnungs-Strand!
- Ziel ist eine bunte Durchmischung von Einheimischen und Gästen.
- Gemeinsame Erlebnisse und Aktivitäten, die verbinden und authentisch sind.
- Alle Angebote sind für Einheimische und Gäste gleichermaßen nutzbar.
- Kulturelle Formate wie ein Poetry Festival, bei dem alle eingebunden sind.
- Lokale DJs beziehen die Gäste ein und schaffen eine gemeinsame Bühne.
- Die Vergangenheit des Ortes/ Platzes wird erlebbar gemacht.
- Ein zusätzlicher Ansatz zur Stärkung der Gemeinschaft ist die gemeinsame Sicherstellung der Strandwache, bei der Gäste einspringen können, wenn kein Einheimischer die Wache übernehmen kann, wovon alle profitieren. Dies verdeutlicht den Ansatz des „Lebensraum Managements“, bei dem die Gemeinschaft im Vordergrund steht, um die Lebendigkeit vor Ort sicherzustellen.
Tisch 2: Kultur inszenieren & Identitäts-Punkte schaffen
- Statt bestehende „instagrammable“ Attraktionen zu verteufeln, werden um sie herum authentische Angebote erstellt, die die Lebensqualität für alle steigern
- Als Good Practice Beispiel zeigt das Water Light Festival in Brixen, wie unbekannte oder wenig beachtete Bauwerke durch Licht in Szene gesetzt und Gastronomie etc. miteinbezogen werden können, um einen Mehrwert für alle zu schaffen.
- Einheimische werden aktiv einbezogen, um den eigenen Ort besser kennenzulernen oder auch wieder lieben zu lernen.
- Eine positive Stimmung führt zu echter Tourismus-Akzeptanz und weckt den Stolz der Einheimischen auf ihre Region.
- Wichtig ist hierbei, Mitbestimmung sicherzustellen und bewusst Ecken für Einheimische freizuhalten, um ihnen Freiräume zu bieten.
Tisch 3: Events mit Beziehungsmanagement
- Wir schaffen Events, die dank Beziehungsmanagement zur „Love Brand“ werden.
- Einheimische sind Teil des Events, beispielsweise indem sie eigene Grundstücke für „Gartenparties“, “Gartenbesuche” o. a. zur Verfügung stellen und dafür ausgewählte Benefits erhalten.
- Feedbackkultur und aufrichtiges Zuhören stellt Anpassungen sicher.
- Das Beziehungsmanagement schafft Verbindungen, die Events an das Tempo der Locals anpassen.
- Die Einbindung von Vereinen und die Nutzung regionaler Anbieter und Produkte stärken die lokale Wertschöpfung.
- Eine durchdachte Logistik (Müll, Transport) ist äußerst relevant.
- Prinzip ist, dass die Eventlokalität nach dem Ereignis ökologisch und ästhetisch wieder wie davor hergestellt wird.
Fazit: Einheimische in die Planung einbeziehen
Die Diskussionen an den drei Tischen zeigten deutlich, dass Erlebnisräume von Beziehungen leben, nicht vom Programm. Einheimische sollten bei der Gestaltung und Entwicklung nicht Außenstehende sondern Mitspieler:innen sein.
Eine gute Atmosphäre entsteht durch Zutrauen, Offenheit und Mitgestaltung. Ein Erlebnisraum, der partizipativ gedacht wird, hebt nicht nur die Identifikation der Einheimischen mit dem touristischen Angebot, sondern kann auch die Verweildauer und die emotionale Bindung der Gäste an die Destination stärken.
Herausgegeben von Stadtkultur und Kommunikation Feldkirch,
edition v, Bregenz 2021, 128 Seiten,
ISBN 978-3-903240-25-4