Holidu / Barrierefrei und nachhaltig gestalten

Vertiefungssession: Prinzip der kleinen Schritte

Impulsgeber: Bernd Reutemann und Birgit Bosio

Große Veränderungen fallen im Spannungsfeld zwischen begrenzten Ressourcen und steigenden Erwartungen von Gästen, Stakeholdern und Politik schwer. Da könnte auch in der DMO das „Prinzip der marginal gains“, der Grenzgewinne, helfen: Kleine schrittweise Verbesserungen in verschiedenen Bereichen führen zusammen zu einer signifikanten Gesamtverbesserung. 

„Jeden Tag 1%  besser“ werden, hatte Keynote-Speaker Bernd Reutemann zum Auftakt des DSTNCMP25 die rund 250 Teilnehmer:innen aus Politik, Tourismus, Wirtschaft und Beratung ermuntert. In der Vertiefungssession am Mittwochnachmittag im Themenstrang „Barrierefrei und nachhaltig gestalten“ stand die Philosophie aus dem Leistungssport zur Diskussion: Wie kann Tourismushandeln davon profitieren?  

In seinem Impuls zur Vertiefungssession erklärte Bernd Reutemann eingehend das Prinzip der kleinen Schritte: Große Erfolge entstehen nicht über Nacht, sondern durch konstante kleine Verbesserungen.

Welche Pain points bremsen den Erfolg?

Zunächst galt es aber, die Problempunkte (Pain points) zu identifizieren, die sich negativ auf den Erfolg, auf die Teamarbeit oder die Gästeerfahrung auswirken. Die Identifizierung von Pain Points ist wichtig, um Produkte, Dienstleistungen und Prozesse zu verbessern und die Zufriedenheit zu steigern.

Diese kritischen Punkte sollten als erstes angegangen werden – und zwar nicht „demnächst“, sondern so, dass sie innerhalb der nächsten sechs Wochen abgehakt sind. 

Dazu wurden in sieben Gruppen sieben persönliche bzw. teaminterne Pain points identifiziert, Ideen für Lösungsansätze gesammelt, diese priorisiert und dann eine Maßnahme definiert, die innerhalb von sechs Wochen den kritischen Punkt beseitigt haben soll.   

Problem – Idee – Effekt – Umsetzung

Pain point 1: UMSETZUNGSSCHWIERIGKEITEN

Die Idee: Es braucht „Ideenpaten“. Das sind Personen im Team, die richtig Lust haben, eine Idee umzusetzen, die vielleicht sogar von ihnen selbst stammt und die dafür freien Handlungsspielraum bekommen.

Der Effekt: Leidenschaft wird zur Verantwortung, das Unternehmen bekommt einen klaren Ansprechpartner, Kreativität wird freigesetzt. Die Aufgabe wird zum eigenen „Baby“, was die Motivation steigert. Wenn niemand Lust auf eine Idee hat, wird sie gestrichen – dann war es einfach nicht die richtige Idee.

Messbarkeit: Die Anzahl der Ideenpaten im Team kann als Indikator für die generelle Umsetzungsbereitschaft gelten.

Pain point 2: ZEITMANAGEMENT

Die Idee: Fokus-Zeiten im Kalender fest einplanen und als „heilige“ Zeiten behandeln. Aber auch „Frei-Zeiten“ im Sinne von Team-Zeiten bewusst gestalten.

Der Effekt: Bessere Stimmung, mehr Fokus und höherer Output, was zu gesteigerter Effizienz führt. Es wird Platz für Zukunftsthemen geschaffen, die Zufriedenheit steigt und die Produktivität wird höher. Zum Start könnten zwei Stunden Fokus-Zeit pro Woche definiert werden, die nach acht Wochen geprüft und ggf. erweitert werden.

Pain point 3: TEAMDYNAMIK

Die Idee: Erfolge im Team stärker feiern. Jedes Meeting mit etwas Positivem starten und nach erfolgreich abgeschlossenen Aufgaben/ Projekten im Team über die „lessons learned“ sprechen.

Der Effekt: Das schafft einen gemeinsamen Spirit nach vorn, verhindert Grüppchenbildung und ebnet einen gemeinsamen Weg für alle. Zudem fördert es einen positiven „Flurfunk“. Wichtig ist, Verantwortliche zu definieren, die diese Kultur des Feierns vorantreiben.

Pain point 4: TEAMDYNAMIK 2

Die Idee: Ein Teambuilding-Event, das Erlebnis und Spaß in den Vordergrund stellt.

Der Effekt: Stärkt das Vertrauen im Team, fördert Professionalität und Zusammenhalt und verbessert die interne Kommunikation. Die Identifikation mit dem Unternehmen steigt.

Umsetzung: Ein Tag im Jahr reicht meistens aus. Zwei Mitarbeiter:innen aus dem Team planen den Event und übernehmen die Verantwortung (hier greift wieder das Prinzip der Ideenpaten). Das Hauptziel des Events sollte vorher klar definiert sein und entsprechend in die Gestaltung einfließen.

Pain point 5: INTERNE KOMMUNIKATION

Die Idee: Alle im Team in die gleiche Richtung bringen durch die gemeinsame Definition von Unternehmenszielen und Kommunikations-Richtlinien.

Der Effekt: Ein geleiteter Zielworkshop mit den Mitarbeiter:innen schafft Klarheit, Transparenz und ein echtes Kollektiv-Gefühl. Für die einzelnen Ziele braucht es „Kümmerer“ oder einen „Head of“, um die Umsetzung zu gewährleisten. Das erhöht die Mitarbeiter:innen-Zufriedenheit und vermeidet unnötige Aufgaben und Mehrarbeit.

Pain point 6: EIGENER ANSPRUCH

Die Idee: Selbstfürsorge leben und lernen, auch mal „Nein“ zu sagen oder Aufgaben zu „schieben“.

Der Effekt: Sich bewusst Zeit nehmen für Selbstreflexion und um Argumente zu sammeln, warum das „Nein“ wichtig ist oder eine Aufgabe verschoben werden kann. Das Ergebnis wird dadurch oft besser, der eigene Energiehaushalt bleibt hoch, die Motivation erhalten und die Zufriedenheit steigt.

Praxis-Tipp: Einführen von Reflexionstagen, um zu prüfen, ob Projekte und aktuelle Aufgaben noch sinnvoll und relevant sind. Eine „Neinsagen-Tafel“ zur Dokumentation der bewusst geschobenen oder abgelehnten To Dos kann spielerisch helfen, dieses Vorgehen zu etablieren.

Pain point 7: UNSICHERHEIT

Die Idee: ChatGPT (oder ein anderes KI-Tool) als schnellen Helfer bei Unsicherheit und Inspirationssuche nutzen. Als „Vertrauensperson“, die 24/7 erreichbar ist, schnelle Rückmeldung gibt und immer zuhört.

Der Effekt: ChatGPT ist die oder der „günstigste Mitarbeiter:in“ und kann schnell Hilfestellung geben. Es gibt immer Feedback, und man kann auch wie mit einem Kollegen mit ChatGPT „sprechen“.

Praxis-Tipp: Das Tool Tool sein lassen bzw. als „Sparringspartner“ sehen, nicht als persönlicher Berater. CustomGPT kann helfen, um je nach Aufgabenstellung die richtigen Antworten zu bekommen. Fortbildungen im Umgang mit KI-Tools bauen Ängste ab, indem einfach ausprobiert werden darf.

Fazit am Ende der Session: Um im Tourismus-Alltag wirklich etwas zu bewegen, müssen wir den Fokus auf das Positive legen, mutig sein, Grenzen abbauen und den Austausch mit anderen suchen – intern und extern. Jede einzelne 1 %-Optimierung klingt unbedeutend. Doch bei zehn aufeinanderfolgenden Schritten ergibt sich fast 10 % Gesamtverbesserung. Bei zwanzig kleinen Gewinnen springt der Hebel schon um über 20 %.

Fünf Schritte zum Erfolg
  1. Analyse: Identifiziere alle Teilprozesse und Abläufe (z. B. Website-Performance, Gästeinformation, Social-Media-Workflow).
  2. Micro-Optimierung: Suche in jedem Teilprozess nach winzigen Hebeln, wie:
    • 1 % schnellere Chatbot-Antwortzeit
    • 1 % präzisere Zielgruppensegmente
    • 1 % höhere Öffnungs-Raten im Newsletter
    • 1 % schnellere Feedbackschleifen mit Stakeholdern
    • 1 % schnellere Ladezeiten der Webseite etc.
  3. Messung: Lege klare KPI fest und tracke sie kontinuierlich (z. B. Ladezeit in Sekunden, Conversion-Rate in Prozent).
  4. Iterieren: Optimiere permanent weiter. Jeder Zyklus beginnt mit der Analyse der bisherigen Ergebnisse.
  5. Aggregation: Addiere alle kleinen Verbesserungen – sie multiplizieren sich und generieren einen messbaren Wettbewerbsvorteil.